Corona

Die Harausforderung

Mechthild & Jürgen Kässer

Die Welt erlebt eine Bedrohung, wie es sie zumindest in Europa seit Menschengedenken nicht gegeben hat. All unsere Erfahrungen gelten nicht im Kampf gegen Covid-19. Medizin kann nicht wirklich helfen. Maßnahmen, die Ausbreitung einzudämmen und Menschenleben zu retten, schaden der Wirtschaft.
Corona ist nicht nur eine Krankheit, es ist eine Herausforderung. Dieses Buch liefert das Wissen, das eine sinnvolle Diskussion über die vielfältigen Bedrohungen erst ermöglicht.
Wie kommt das Virus in unseren Körper und wie kann der sich dagegen wehren? Welche Medikamente und Impfstoffe sind in Entwicklung und wann kann man mit ihnen rechnen? Wie wirken sich unsere Verhaltensweisen auf die Ausbreitung des Virus aus?
Die Staaten setzen unterschiedliche Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie ein. Ein Vergleich zeigt, wie wirksam sie sind und welcher Staat am besten durch die Krise kommt.
Ein kleines Virus deckt die Schwachpunkte unserer Gesellschaft auf. Wie sollen wir reagieren? Wie können wir die Folgen der jetzigen Pandemie bestmöglich verkraften, wie uns besser auf eine zukünftige vorbereiten?

Genre: Sachbuch

Sprache: deutsch

Erschienen: 2020

Format: 

DIN A5,
Softcover,
196 Seiten

ISBN: 978-3-938721-10-0

Preis: 19,80 €

Format: ePub3

ISBN: 978-3-938721-11-7

Preis: 16,99 €

Leseprobe

1 Einleitung

Wer hätte gedacht, dass eine Krankheit unsere Welt lahmlegen kann. Im tiefsten Urwald kann sich vielleicht eine Epidemie ausbreiten, aber doch nicht in unseren hochzivilisierten Ländern. Bei so viel Geld, das wir in unsere medizinische Versorgung stecken, muss es doch möglich sein, ein Virus in seine Schranken zu weisen.

Doch Corona lehrt uns umzudenken. Scheinbar unbeeinflusst von allen ärztlichen Mitteln breitet es sich weltweit aus. Nur die uralten Möglichkeiten, die schon gegen die Pest eingesetzt wurden, können die Ausbreitung verlangsamen – Hygiene und Abstand der Menschen voneinander.

Woran liegt es, dass die neue Krankheit uns so hilflos erscheinen lässt? Was ist anders als bei der Grippe? Wie schafft es der Körper, die Krankheit zu besiegen, wenn die Ärzte nur die Symptome lindern, aber nichts gegen die Krankheit selbst tun können?

Viele Fragen, die zu einem Verständnis der Krankheit Antworten suchen.

Im ersten Teil des Buches werden sie gegeben. Man versteht die molekularbiologischen Vorgänge, mit denen das menschliche Abwehrsystem auf die Herausforderung durch das Coronavirus reagiert. Man erkennt, warum manche nur sehr leicht und andere tödlich schwer erkranken. Dieses Wissen eröffnet auch die Möglichkeit, die momentan mit Hochdruck zur Bekämpfung des Virus betriebene medizinische Forschung darzustellen. Welche Medikamente sind zu erwarten, auf welchen Wegen werden Impfstoffe gesucht, welche Möglichkeiten für Tests gibt es.

Wichtig für das Verständnis einer Pandemie ist es, das Zusammenwirken der verschiedenen Einflussgrößen zu verstehen. Der zweite Teil des Buches befasst sich mit Epidemiologie. Man sieht, und kann, falls man will, selber nachrechnen, wie wichtig die Einhaltung von Quarantäne-Maßnahmen ist, wie das Fehlverhalten von wenigen die Mühen von vielen zunichte macht, was geschieht, wenn ein Land im Abklingen der Pandemie zu schnell Lockerungen einführt oder warum eine Pandemie sich auch ohne jegliches menschliches Eingreifen zu Tode läuft.

Maßnahmen gegen eine Pandemie sind am wirkungsvollsten, wenn sie schon greifen, bevor viele Menschen infiziert sind. Doch das bedeutet, dass die Feuerwehr bereits ausrückt, bevor es richtig brennt. Die Menschen müssen Maßnahmen befolgen, die ihnen völlig überdimensioniert erscheinen, um die auf sie zurollende Kranken-Lawine im Keim zu ersticken.

Ist die Epidemie erst außer Kontrolle geraten, so hilft nur soziale Isolierung. Die Menschen müssen so weit voneinander entfernt bleiben, dass das Virus bei seiner Ausbreitung, solange es ansteckend ist, keinen Menschen antrifft. Wie gut dies gelingt, entscheidet, ob allen Schwerkranken der Pandemie die erforderliche Intensivbehandlung zukommen kann und letztendlich, wie viele Menschen sterben.

Greifen die Maßnahmen nicht ausreichend, so kommen wir in ernsthafte Schwierigkeiten. An der Spanischen Grippe, die vor ziemlich genau hundert Jahren wahrscheinlich von den USA aus um die Welt ging, starben etwa 3 % aller damals lebenden Menschen, bei Covid-19 könnten es 0,7 % sein.

Die meisten Toten gab es in der zweiten Welle der damaligen Pandemie. Man hielt die Krankheit für überwunden, doch sie kam viel stärker zurück.

Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Und wir können hoffen, denn wir stehen dem Virus nicht hilflos gegenüber. Wissenschaft und Pharmaunternehmen wissen, wie ein Impfstoff dagegen entwickelt werden kann. Doch es dauert, bis er alle für eine Zulassung erforderlichen Prüfungen überstanden hat. Vermutlich werden trotz aller Anstrengungen viele Monate vergehen, bis eine Massenimpfung möglich sein wird – und ein Monat ist während einer Pandemie eine lange Zeit.

Die Welle an Erkrankungen steht erst an ihrem Anfang. Von den Grippe-Epidemien weiß man, dass mit der stärkeren Sonneneinstrahlung im Spätfrühling die Ansteckungen nachlassen. Bei Covid-19 ist dies anders. Wie es sich abzeichnet, sind die Viren nicht oder zumindest nicht sehr vom Wetter abhängig. Die Krankheit tritt auf allen Kontinenten in allen Klimazonen auf.

Die Befürchtung besteht, dass 60-70 % der Menschen weltweit erkranken. Eine unvorstellbar große Anzahl an Kranken.

Ohne Vorsichtsmaßnahmen ist jedes Gesundheitssystem überfordert. Die erste Aufgabe ist es daher, durch Verminderung der Ansteckungen die Zahl der Kranken den Möglichkeiten ihrer Versorgung anzupassen. Gelingt dies nicht, steigt die Zahl der Toten schnell an.

Diese Krankheit stellt das soziale Gefüge auf die Probe, denn zwei Interessen konkurrieren.

Um möglichst viele Leben zu retten, ist eine möglichst strenge Quarantäne aller Menschen in den betroffenen Gebieten erforderlich, je strenger, desto schneller geht die Zahl der Kranken wieder zurück. Quarantäne bedeutet aber, dass die Menschen nicht zur Arbeit gehen können, dass Firmen den Betrieb einstellen und Läden schließen müssen.

Wenn die Wirtschaftsleistung einbricht und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellt, kommt schnell die Frage auf, wie viel ein Menschenleben wohl wert ist. Zumal das Coronavirus überwiegend Menschen in einem Alter hinwegrafft, in dem sie nicht mehr produktiv sind.

Wir sind eine solche Situation nicht mehr gewohnt, denn gegen die bei uns üblicherweise umgehenden Erkrankungen gibt es Abwehrmaßnahmen. Gegen die früher weit verbreiteten bakteriellen Krankheiten wie Tuberkulose, Pest, Cholera oder Diphtherie helfen Antibiotika, gegen Viren, die Krankheiten wie Grippe, Mumps, Röteln oder Kinderlähmung auslösen, Schutzimpfungen. Wenn Krankheiten epidemisch auftreten, wie etwa Schnupfen, so sind sie nicht lebensgefährlich.

Die heute weit verbreiteten Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden, Zuckerkrankheit oder Krebs sind nicht ansteckend.

Es ist uns unvorstellbar, dass es etwas gibt, was uns in unserem ganz normalen Leben bedroht, und gegen das die einzige Abwehr darin besteht, unser Verhalten zu ändern.

Weil viele die unabwendbare Gefahr ängstigt, suchen sie nach Erklärungen, die besser in ihren Erfahrungsschatz passen. Finstere Mächte werden vermutet, die versuchen, den Menschen aus irgendwelchen Gründen ihre Freiheit zu nehmen. Dagegen kann man dann mit der Waffe in der Hand demonstrieren.

Doch die Fakten sind einfach. Es gibt ein Virus, das nur darauf wartet, uns krank zu machen, und wir können uns einer Ansteckung nur entziehen, wenn wir keinen Kontakt zu Infizierten haben.

Quarantäne ist ein tiefer Eingriff in die Menschenrechte. Die Menschen in ihren Wohnungen einzusperren, bringt riesige Probleme mit sich. Nicht nur, dass die Kinder nicht zur Schule, die Eltern nicht zur Arbeit und alle nicht in den Park gehen können. Wochenlang in einer womöglich kleinen Wohnung zusammengepfercht zu sein, kann zu familiären Spannungen und häuslicher Gewalt führen.

Nicht immer. Während der strengen Quarantäne im chinesischen Wuhan haben die zu Hause festsitzenden Menschen sich in ihrer Langeweile beim Internethändler einem Kaufrausch hingegeben. Die Bestellungen schossen in die Höhe. Hauptsächlich Computerspiele, darunter viele, die zur Bewegung anregen, Sportgeräte wie Yogamatten und Rudermaschinen, Bücher und nicht zuletzt Kondome waren gefragt. Das zeigt, wie sich die meisten ihre Zeit vertrieben.

Gefragt, ob er eher mit vermehrten Scheidungen oder Geburten rechnet, meint ein Familienberater in Deutschland, dass er auf Scheidungen tippt.

Die verschiedenen Staaten gehen sehr unterschiedlich mit der Pandemie um. Damit befasst sich der dritte Teil des Buchs. Die Maßnahmen verschiedener Staaten und ihre Wirksamkeit gegen die Pandemie werden vorgestellt und untersucht. Wie konnte sich die harmlose lokale Krankheit zu einer weltbewegenden Pandemie entwickeln, wie schaffen es manche Staaten die Krankheit schnell in den Griff zu bekommen, während andere schwer und lange darunter leiden und wieder andere fast ohne Maßnahmen durch die Pandemie zu kommen scheinen?

Vieles, was der Staat im Vorfeld versäumt hat zu regeln, wird uns durch die Pandemie erst bewusst.

Das ist im einfachsten Fall die fehlende Schutzkleidung oder die fehlende App zur Bestimmung von Kontakten mit Infizierten.

Doch dies führt schnell zu sehr tiefgreifenden Fragen. Ist der Eingriff des Staats in die Produktionsplanung von Firmen sinnvoll, was ist wichtiger, die informelle Selbstbestimmung des Einzelnen oder das Leben von Menschen aus Risikogruppen, ist Krisenbekämpfung allein auf Länderebene sinnvoll, oder benötigt Deutschland ein länderübergreifendes Krisenmanagement?

Corona verletzt das Dogma, der Markt regele alles am besten. In der Pandemie gibt es keinen Markt. Die Staaten sind die Akteure. In der Not rufen die sonst so auf ihre Unabhängigkeit bedachten Firmen nach Staatshilfe. Und die Staaten helfen, mit riesigen Summen, und treiben die Staatsverschuldung in schwindelerregende Höhen.

Hilfe ist sicher nötig, doch auch Gedanken, wie die Nutznießer öffentlicher Hilfe beim zukünftigen Abbau der Staatsschulden herangezogen werden können.

Die Struktur der EU hat in der Pandemie versagt. Reicht es, die Probleme mit viel neugeschaffenem Geld zu übertünchen, ohne dass sich im Gefüge irgendetwas ändert?

Mit solchen Fragen befasst sich der letzte Teil des Buchs.


3.1.2 Entwicklung neuer Medikamente gegen SARS-CoV-2

Um spezielle Covid-19-Medikamente zu entwickeln, müssen die Forscher nicht bei null anfangen, sondern können auf Erfahrungen mit anderen Coronakrankheiten aufbauen. Virologen und Biotechnologen sind gefragt, die sich seit Jahren intensiv mit Coronaviren und Viren im Allgemeinen befassen und aufklären, woher die Keime kommen, wie sie aufgebaut sind und was für ihr Infektionsvermögen entscheidend ist.

Die Fortschritte und die Leistungsfähigkeit der Virologie zeigten sich gleich zu Anfang der Pandemie. Schon in kürzester Zeit nach Ausbreitung des Virus waren nicht nur sein Erbgut, sondern auch die räumliche Struktur seines für die Infektion wichtigen Oberflächeneiweißes aufgeklärt und der Allgemeinheit zugängig gemacht. Es ist das S-Protein genannte Zucker-Eiweiß, das in großer Zahl über die ganze Virenhülle verteilt ist und diese im Rasterelektronenmikroskop aussehen lässt, als wüchsen kleine Pilze darauf. Mit den „Hüten“ der Pilze heftet sich das Virus an die Zelle. Auch die Andockstelle auf der Zelloberfläche, das Zucker-Eiweiß ACE2 (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2), war schnell ermittelt. Es ist das gleiche, das auch schon das SARS-Virus nutzte.

Es zeigte sich auch, dass das Virus, um in eine Zelle eindringen zu können, noch ein anderes Eiweiß auf der Zelloberfläche, das Enzym TMPRSS2, benötigt.

Die Kenntnis der räumlichen Architektur dieser beiden Zelleiweiße ist wichtig, denn sie liefert entscheidende Anhaltspunkte, wie ein Hemmstoff beschaffen sein muss, damit er die Bindestelle abschirmen und eine Ankopplung des Virus vereiteln kann.

Entsprechend lassen sich Hemmstoffe für das S-Protein auf dem Virus entwerfen.

Man hat noch ein weiteres Ziel für blockierende Medikamente gefunden: ein Enzym, die Hauptprotease Mpro, die das Virus mitbringt und die für seine Vermehrung in der Zelle unentbehrlich ist.

Insbesondere über diese vier Zielmoleküle versuchen Forscher, das Coronavirus an der Infektion von Zellen zu hindern und seine Ausbreitung zu stoppen.

Medikamente in der Erprobung

Aus den Beobachtungen der Grundlagenforschung haben sich inzwischen zwei mögliche Covid-19-Therapien ergeben.

Für das zweite Eiweiß auf der Zelloberfläche, TMPRSS2, das dem Virus den Eintritt in die Zelle ermöglicht, gibt es bereits einen Hemmstoff. Es ist das Medikament Camostat Mesilate, das in Japan zur Behandlung von Entzündungen der Bauchspeicheldrüse in Form von Tabletten zugelassen ist. Erste Tests im Labor zeigten, dass es SARS-CoV-2 tatsächlich daran hindert, menschliche Lungenzellen zu befallen. Es könnte also auch vor der Krankheit Covid-19 schützen. Klinische Studien in Dänemark und an der Berliner Charité untersuchen dies. Da eine Zulassung besteht, entfallen einige zeitaufwändige Tests und ein neues Corona-Medikament könnte schnell zur Verfügung stehen.

Infektionsbiologen am Deutschen Primatenzentrum, Göttingen prüfen zudem, ob es nicht besser ist, den Wirkstoff direkt in die Lunge zu injizieren.

Ein zweites Mittel haben Forscher vom Institut für Molekulare Biotechnologie in Wien seit längerem vorangetrieben.

[ ... ]